Kritisches Denken im Fokus - Das PLURV Modell und sinnvolle Anwendungen im Alltag

Am Gymnasium werden Unterrichtseinheiten zum kritischen Denken langsam aber sicher etabliert. Doch was ist KD oder kritisches Denken überhaupt und macht es Sinn immer kritisch zu denken?

KD im Deutschunterricht

Kritisches Denken - eine metakognitive Fähigkeit

Unser Deutschlehrer, Markus Beutler, beschreibt das kritische Denken als eine “metakognitive Fähigkeit”. Es ist also ein Werkzeug mit dem wir unsere eigenen Gedanken analysieren und so kognitive Verzerrungen und logische Fehlschlüsse erkennen können. Das Ziel ist es, sich seinen eigenen Denkvorgängen bewusst zu werden um so logische Fehlschlüsse und kognitive Verzerrungen zu minimieren. Gleichzeitig hilft kritisches Denken auch dabei solche Denkfehler bei anderen Personen zu erkennen.

Ein Beispiel einer kognitiven Verzerrung, die bereits vielen geläufig ist, ist der Dunning-Kruger-Effekt:

Grafik Dunning-Kruger-Effekt
Grafik Dunning-Kruger-Effekt

Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt, dass Fortgeschrittene eines Feldes ihr Können tendenziell viel zu hoch einschätzen, während Kompetente sich oft als schlechter einschätzen, als sie eigentlich sind.

Das PLURV-Modell

PLURV Modell
PLURV Modell

Das PLURV Modell beschreibt die beliebtesten Tricks von Wissenschaftsleugnern, um Desinformationen zu verbreiten. Es ist die übersetzte Version des von John Cook erfundenen FLICC Modell.

Im Unterricht hörten wir uns einen Auszug des Coronavirus-Update Podcast an, in dem Christian Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité, das Modell auf Corona-Leugner anwendet:

Pseudo Experten

Christian Drosten erklärt, dass es während der Pandemie Pseudo Experten gab, die zwar Professoren- oder Doktortitel haben, diese aber in einem komplett anderen Feld tätig oder schon pensioniert sind. Diese “Fake Experts” verbreiten anschliessend Falschinformationen, die nicht-kritisch-denkende Personen einfach glauben. Aufgrund ihrer Titel werden sie fälschlicherweise als Qualifiziert betrachtet, ohne über die entsprechenden Kompetenzen oder das nötig Fachwissen zu verfügen.

Logische Fehlschlüsse

Beim Punkt “Logische Fehlschlüsse” geht es darum, dass Wissenschaftsleugner aus wahren Fakten falsche Schlüsse ziehen. Als Beispiel verwendet Doktor Drosten das Präventionsparadoxon. Corona-Skeptiker argumentieren damit, dass die Wissenschaft mit ihren Vorhersagen bezüglich der Steigung der Infektionszahlen unrecht hatten. Sie übertreiben also angeblich. Dass die Vorhersagen nicht so eingetroffen sind, stimmt an sich. Dass die Wissenschaftler aber nur übertrieben haben, kann man aber nicht behaupten. Der logische Fehlschluss besteht darin, dass die Prognosen sich auf den Fall bezogen, dass keine Massnahmen vorgenommen wurden. Es wurden jedoch Präventionsmassnahmen vorgenommen - man kann also nicht sagen, dass die Prognosen falsch sind.

Unerfüllbare Erwartungen

Hier spricht Christian Drosten vom Prinzip “moving the goal posts”. Damit ist gemeint, dass die Wissenschaftsleugner ständig das Ziel der Argumentation ändern und nie mit den Antworten der Wissenschaftler zufrieden sind. Zum Beispiel wird gesagt, dass das Virus ja noch nie isoliert wurde. Sobald dies aber getan wird, sagen die Skeptiker, dass das ja nur ein Bild sei und dass sie das Isolat selbst als Beweis wollen anstatt zu akzeptieren, dass sie falsch lagen.

Rosinenpickerei

Die Wissenschaftsredakteurin, Frau Schulmann, erwähnt die “Rosinenpickerei” und beschreibt die Strategie als das lückenhaftes Auswählen von Informationen, um seine eigene Position zu schützen. Man ignoriert also jegliche Information, die der eigenen Meinung widerspricht. Als Beispiel benutzt Drosten das Auswählen von Studien. Die Wissenschaftsleugner glauben den Studien, die beispielsweise sagen, dass das Virus für Kinder irrelevant sei. Grossen, nationalen statistischen Erhebungen schenken sie jedoch keinen Glauben.

Verschwörungs Mythen

Zu guter Letzt erklärt Drosten die Verschwörungs Mythen. Beispielsweise wird Wissenschaftlern unterstellt, dass sie Geld dafür bekommen, in der Öffentlichkeit falsche Informationen zu verbreiten. Diese sind besonders mühsam, denn während der Pandemie arbeiteten die Ärzte und Wissenschaftler Stunden an überzeit. Sie hatten also gar keine Zeit dafür stellung zu nehmen und die Anschuldigungen zu widerlegen.

Kritisches Denken ausserhalb vom Schulzimmer

Wann macht KD Sinn?

Kritisch zu denken wird als vorteilhafte Eigenschaft angesehen. Jeder und jede würde gerne behaupten das er oder sie kritisch denkt. Immer kritisch zu denken ist aber nicht möglich. Kritisch zu denken braucht eine immense kognitive Leistung und in der heutigen Zeit werden wir schon so täglich mit einer riesen Menge von Informationen konfrontiert. Unser Gehirn ist einfach nicht zu solch hoher Denkleistung gemacht. Natürlich ist es aber von Vorteil in manchen Situationen seine eigenen Gedanken zu analysieren und zu überlegen, ob die eigene Schlussfolgerung Sinn macht.

Bei wichtigen Entscheidungen oder politischen und wissenschaftlichen Themen macht es durchaus Sinn kritisch zu denken. Es hilft uns dabei eigene Fehlschlüsse zu erkennen und zu minimieren. Wir können so selektive Wahrnehmung vermeiden und Informationen objektiv bewerten. Dadurch können wir bessere Entscheidungen treffen. Ausserdem können wir zuverlässige Quellen erkennen und die Qualität ihrer Informationen besser bewerten. Bei wichtigen Debatten können wir also auch so falschen Informationen aus dem Weg gehen.